Wenn das Leben überwältigend ist – und Gefühle anklopfen
Kennst du das Gefühl, wenn plötzlich alles zu viel wird? Wenn ein Moment, ein Bild, ein Wort, eine Erinnerung so stark in dir einschlägt, dass du kaum atmen kannst? Überwältigende Gefühle gehören zum Leben – doch oft haben wir Strategien entwickelt, um sie nicht zu fühlen.
Manche lenken sich ab, andere stürzen sich in Arbeit, scrollen stundenlang durch soziale Medien oder betäuben sich mit Essen, Serien oder Alkohol. Es sind Schutzmechanismen, die uns kurzfristig vor dem inneren Sturm bewahren sollen. Doch sie halten die Gefühle nicht wirklich auf – sie bleiben im Untergrund und warten auf einen Moment, in dem sie sich Bahn brechen dürfen.
Wenn Gefühle explodieren
Oft passiert das bei einschneidenden Ereignissen wie einer Beerdigung. Plötzlich bricht all das hervor, was man lange zugedeckelt hat. Erinnerungen steigen auf, Tränen fließen, manchmal scheinbar unkontrollierbar. Der Schmerz über geliebte Menschen, die gegangen sind, kann uns überwältigen. Und genau hier ist es wichtig zu erinnern: Traurigkeit ist kein Makel, kein Zeichen von Schwäche. Gefühle sind menschlich – und sie verdienen Raum.
Gefühle durch Auslöser im Alltag
Nicht nur Beerdigungen, auch scheinbar „banale“ Dinge können uns an unsere innere Grenze bringen. Ein Film zum Beispiel. Eine Szene, die Angst, Traurigkeit oder Wut in uns weckt. Manchmal auch Fremdscham, Schock oder sogar Hass. Plötzlich wird ein altes Erlebnis berührt, eine Erinnerung aktiviert, die wir längst vergessen glaubten. Solche Auslöser wirken wie kleine Schlüssel, die Türen zu verdrängten Gefühlen öffnen.
Zulassen statt wegdrücken
Die entscheidende Frage ist: Wie gehst du damit um?
- Unterdrückst du das Gefühl, bleibt es im Körper gespeichert.
- Lasse es zu, bekommt es die Chance, sich zu wandeln.
Manchmal reicht es, sich bewusst ein paar Minuten hinzusetzen, die Augen zu schließen und einfach zu fühlen. Ohne Urteil. Ohne Erklärung, Ohne Worte, Ohne Label. Nur wahrnehmen, was gerade da ist. Sich selbst beobachtet. Wahrnehmen, was im Körper passiert.
Sich nicht schämen
Es ist heilsam zu wissen: Wir dürfen fühlen, was wir fühlen. Schmerz, Traurigkeit, Wut – all das gehört zu uns. Gefühle sind ein Ausdruck unserer Lebendigkeit. Sie zu unterdrücken bedeutet, uns selbst ein Stück Lebendigkeit zu nehmen. Oftmals kommen dann Gedanken hoch, wie z.B.: was denken andere über mich? Ich darf keine Gefühle zulassen, es kann andere stören, ich hab grad kein Taschentuch.
Vielleicht fragst du dich selbst einmal:
- Welche Strategien habe ich, um Gefühle nicht zu fühlen?
- Was passiert, wenn ich sie bewusst zulasse?
- Welches Gefühl möchte gerade gesehen werden?
Ein kleiner Anker
Und manchmal hilft es, mitten im Chaos einen Mini-Anker zu setzen. Zum Beispiel:
„Ich freue mich, dass dieses Gefühl meiner Einladung gefolgt ist und mich lächeln lässt – auch wenn es sich zuerst schwer anfühlt.“
Eine kleine Selbstreflexion: Dein Gefühl einladen
Nimm dir einen ruhigen Moment. Atme ein paar Mal bewusst ein und aus.
- Wähle dein Gefühl
Frag dich: Welches Gefühl möchte ich heute bewusst einladen?
Schreib es dir auf – ein Wort genügt. - Spüre die Blockade
Schließe kurz die Augen und frage dich: Was hält mich gerade davon ab, dieses Gefühl zu spüren?
Lass die Antworten auftauchen, ohne sie zu bewerten. Vielleicht ist es ein Gedanke, eine Erinnerung, eine Sorge. - Werde Beobachter/in
Stell dir vor, du könntest diesen Gedanken oder diese Erinnerung wie eine Wolke am Himmel vorbeiziehen lassen. Du musst nichts tun, nur beobachten. Und wenn der Gedanke immer wieder kommt, setze ihn immer wieder in eine kleine Wolke und puste diese Wolke weg. - Fühle den Raum
Atme tief ein – und mit dem Ausatmen mach innerlich Platz für dein gewünschtes Gefühl. Stell dir vor, es klopft an deine Tür und du öffnest sie.
Wie fühlt es sich an, wenn dieses Gefühl jetzt einen kleinen Platz in dir bekommt? - Mini-Anker setzen
Sag zu dir:
„Ich freu mich, dass dieses gute Gefühl meiner Einladung gefolgt ist und mich lächeln lässt.“
Diese Übung dauert nur wenige Minuten, kann aber helfen, die überwältigenden Gefühle anzuerkennen, ohne von ihnen überrollt zu werden.